Helge Siems - Hochschulkontakte, Personalmarketing, Suchmaschinenoptimierung


 

Die große Angst vor dem Kunden

 

"Das wirkliche Internet - das Internet, wie es ist, wie es wirklich funktioniert - passt weder in die traditionellen Modelle der Medien noch in die der Wirtschaft. Ergo existiert das Internet nicht. Die Medien haben ein Bild vom Internet geschaffen, das der Wirtschaft gefällt und das sie bereits kennt - nämlich als Fernsehen." (Christopher Locke, Gonzo-Marketing, 2001, Seite 192)

Werbekonsum wird dann zur Kommunikation, wenn der Empfänger auf die Botschaft reagiert. Das wäre etwa dann der Fall, wenn der Konsument eines Werbspots in den Fernseher sprechen könnte: "Stimmt, genau so ist es. Das gleiche Erlebnis hatte ich auch, als ich mit xyz verreist bin." Und alle anderen Fernsehzuschauer könnten es hören und ihm oder ihr öffentlich Recht geben oder widersprechen. Wenn das technisch ginge und Werbespots etwas mehr realistische Wahrheit transportierten, bräuchten wir keinen Vertrieb mehr, denn die ganze Beratung würden die Verbraucher unter sich ausmachen. Die kennen sich im Detail eh besser aus als die Verkäufer.

Das Internet bietet die Möglichkeit zu dieser Kommunikation. Stellen wir uns einmal vor, wir wären ein Reiseveranstalter. Der Kunde geht auf unsere Webseiten, klickt sich zu der Reise durch, die für ihn in Frage kommen könnte. Er (oder natürlich sie) liest das, was die bisherigen Kunden dieses Produktes zu sagen haben. Er freut sich über die positiven Bemerkungen, fragt eventuell noch mal bei den anderen Kunden nach und bucht die Reise viel schneller und mit weniger Unsicherheit als nach einer Beratung durch einen Verkäufer. Klingt doch ganz vernünftig, oder? Die technische Herausforderung ist hierbei vergleichsweise gering. Amazon und ebay machen es vor.

Nebenbei bemerkt ist das auch das wirkliche Internet, wie es 1979 als Usenet entstanden ist: eine Basis für weltweite Kommunikation unter Unbekannten mit gleichen Interessen. Christopher Locke stellt hierzu fest: "Angesichts reicher Auswahlmöglichkeiten wenden sich die potentiellen Käufer an die einzige Quelle, der sie vertrauen: ihresgleichen. Der typische Austausch findet über email oder online in Diskussionsforen statt [...]" (Christopher Locke, Gonzo-Marketing, 2001, Seite 109)

Zurück zum Thema. Es gibt leider nicht nur zufriedene Kunden. Was also machen wir mit den unzufriedenen Kunden und wie schützen wir uns vor den Meinungen der notorischen Nörgler? Hier findet sich schnell eine Lösung: ein Administrator begutachtet vorher jeden Beitrag. Bei der Gelegenheit korrigiert er dann noch die Rechtschreibfehler und filtert auch gleich die negativen Aussagen. Der Administrator (natürlich ein Mitarbeiter der Marketingabteilung) formuliert dann hier und da die unfachmännische Sprache des Verbrauchers in korrekte Marketingsprache, die in das Kommunikationskonzept des Unternehmens passt. Der Verbraucher wird dankbar sein für die Hilfe des Fachmanns und wir haben wieder alles im Griff.

Keine Frage, so geht es natürlich auch nicht. Denn leider glaubt uns kein Mensch, dass wir nur zufriedene Kunden haben, die ihre Erfahrungen in gestylter Marketingsprache an andere weitergeben. Also lassen wir das mit den Kundenmeinungen doch lieber sein und bleiben beim altbewährten System. Denn wir sind Profis und können uns keinen Amateurstil leisten. Und erst recht keine negativen Meinungen. Schließlich tun wir alles für die Kundenzufriedenheit und sind dabei überaus erfolgreich. Das soll der Verbraucher jedenfalls glauben.

Dass sich die Kunden derweil ins Usenet verdrücken und dort nach Kräften über uns herziehen, interessiert uns nur am Rande, denn wer kennt schon das Usenet. Gut, durch http://groups.google.de sind es ein paar mehr geworden, aber es sind im Vergleich zur Masse der Verbraucher immer noch verschwindend wenige. Also können wir das Usenet getrost ignorieren.

Wie lange können wir uns diese Angst vor dem Kunden noch leisten? Müssen wir vielleicht den Mut beweisen, unseren Mitarbeitern mehr zu vertrauen und sie bei aller Unvollkommenheit ihres Ausdrucks zum Sprachrohr unseres Unternehmens machen? Reden tun sie sowieso, dann ist es doch besser, wenn es in unserem Namen ist und nicht als Freddy38@web.de (fiktive Adresse). Vielleicht ist das dann nicht so professionell im Sinne des klassischen Marketing, dafür aber umso glaubwürdiger. Gefährlich vielleicht auch, aber ungewöhnliche Zeiten erfordern eben ungewöhnliche Mittel. Dem Geschäft würde es zu ein bisschen mehr Menschlichkeit mit all der glaubwürdigen Unvollkommenheit verhelfen. Dass das in der Kommunikation mit Kunden notwendig ist, sagt uns zum Schluss noch einmal Chris Locke:

"Menschen möchten mit Menschen sprechen, nicht mit Werbetextern, Juristen oder Werbemaskottchen mit unausgesprochenen und nicht allzu gutartigen Hintergedanken." (Christopher Locke, Gonzo- Marketing, 2001, Seite 53)

Christopher Locke (http://www.rageboy.com/index2.html) ist einer der Autoren des Cluetrain-Manifestos (http://www.cluetrain.com), ehemaliger Director für Online Community Development bei IBM und Mitglied der "Top 50 Business Gurus Worldwide" der Financial Times. Gonzo Marketing hier online bestellen

(c) Helge Siems, 28. Oktober 2002

| Referenzen | Lebenslauf | Links | Detektei | Zitate | Impressum | Kontakt | Fachbücher sind doof |

Google
Search WWW Search helge-siems.de

Partnerlinks: Ferienwohnung im Harz - Ferienwohnung an der Ostsee